Im Internet sind wir alle nackt.

Wir sitzen im Internet nackt beieinander wie in einer Gemeinschaftssauna.

Wir stalken das Profil von unserem Chef und liken sein Partybild von letztem Silvester, wie er mit Partyhütchen schlafend in einer Ecke sitzt. Wir pimpen unser Xing Profil und packen möglichst viele seriöse und furchtbar wichtige Punkte in unserem Lebenslauf auf unser schlicht gehaltenes Profil, haben viel Geld für das seriöse Profilbild beim Fotografen gelassen.

Direkt ein Klick weiter geht es dann zum öffentlichen Instagram Profil, auf dem wir unseren neuesten Triangl Bikini präsentieren (natürlich am Körper) und unsere Samstag Abend Selfies mit unseren Partypeoplen inkl. Drinks. Wir twittern betrunken die ganze Nacht unsere Gefühlsduselei, instagrammen den morgendlichen Döner um 8:30 Uhr, während wir nach Hause torkeln. Die Trennung vom Freund kann die Welt mitverfolgen, der Beziehungsstatus auf Facebook ist verschwunden, dazu die ganzen romantischen Pärchenbilder auf Instagram. Unsere öffentliche Liebeskummer Playlist bei Spotify erzählt von durchweinten Nächten, unterstützt von gehässig getwitterten „ichbrauchdichnichtichbinstarkohnedich“ Spruchbildern irgendwelcher fremden Tumblr. Der eigene Tumblr ändert sich von seiner Farbwelt von rosa zu schwarzweiß, die „happy life“ quotes gehen in „I’m in a crowd and still alone“ Sprüche auf geklauten depressiven Emobildern über. Unsere neue Pinterest Pinnwand heißt „new Hair“ und kündigt die Veränderung schon an, bevor wir mit der besten Freundin darüber sprechen. Unsere Eltern rufen nicht mehr besorgt jeden Sonntag an, sie lesen unseren Blogs. Früher hat man sich  nachts von Partys heimgeschlichen, heute braucht die Mama nur ihren Instagram Feed checken. Unsere Ernährung wird auf bestimmten Plattformen durch Algorithmen ausgewertet und neu strukturiert, jeder Schritt wird von Apps aufgezeichnet und am Ende des Tages als Pop Up Nachricht angezeigt, der Zyklus wird direkt von der App mit in den Kalender übernommen und generell weiß unser Handy mehr über uns, als es unsere Tagebücher früher je von uns wussten. Facebook weiß besser, wer wann Geburtstag hat als wir und unser digitaler Kalender müsste nur noch lernen, den Müll zum passenden Tag selbst vor die Tür zu stellen, anstatt uns nur daran zu erinnern. Unseren Konsum stellen wir mit zahlreichen Hauls in Bild und Ton zur Schau, erzählen über unsere Haut- und Gewichtsprobleme filmen uns bei jeder alltäglichen Peinlichkeit.

2324web

Wir sind alle nackt und alle gleich. Wir geben uns Mühe, möglichst hübsch, erfolgreich und toll zu erscheinen, nur um es uns im nächsten Moment wieder zu zerstören. Wir brauchen nicht mehr reden, wir verfolgen uns.

Was ich damit sagen will? Ich weiß es nicht. Ich bin kein Stück besser, denn ich sitze splitternackt zwischen euch.

2331web2337web2338web

Pulli: Lookbookstore // Schal: Pieces // Schuhe und Ohrringe von Anni // Pulli: Zara (alt)

27 Antworten zu “Im Internet sind wir alle nackt.”

  1. Avril Swift* sagt:

    Ich finde das an Tumblr aber irgendwie grade gut, dass man da seine Gefühle mit ausdrückt oder wie es einem grade geht…
    Wann wird das Herbstgewinnspiel eigentlich ausgelost? 🙂 Das mit der Blattkette?

  2. Dana sagt:

    Der Text lässt uns kurz aufhorchen und mit dem Kopf schütteln. Um dann fest zu stellen, das einige Punkte auf einen selbst zutreffen.
    Es ist nur zu traurig, das die Kommunikation so furchtbar leidet. Weiss man doch anscheinend schon was die Freundin gemacht hat.
    Lohnt es nicht mehr zu fragen. Zu anstrengend. Man weiss es ja schon.

    „Schöner“ Schein …

  3. Silberdistel sagt:

    toll geschrieben!

  4. Céline sagt:

    Wirklich toller Text! Fasst unser Verhalten perfekt zusammen und schön finde ich auch das Fazit: denn so doof es ist, dabei sind wir alle.
    Liebe Grüße,
    Céline von http://electricfeel-now.blogspot.de/

  5. Chickadee sagt:

    Wo hast du denn die Hose her? Die ist richtig schön und genau in meiner Lieblingsfarbe. 🙂

  6. Magda sagt:

    Wow!
    Toll geschrien und so wahr. Wir geben so viel von uns preis ohne dabei großartig nachzudenken und die Konsequenzen zu kennen. Echt erschreckend wenn man es sich so überlegt…

  7. Sam sagt:

    Hmm ich weiß nicht ganz genau wie ich dazu stehe. Irgendwie machen wir es alle ständig und die Konsequenzen erleben wir jeden Tag. Wir sind noch hier und es geht uns noch gut. The new normal. Ist die Privatsphäre wohl doch nur eine Modeerscheinung? Früher waren auch alle in einem Zelt-/Lehmdorf und die Familien schliefen alle unter einem Dach ohne Wände und Scham. Ich weiße es auch nicht genau. Aber bisher scheint es uns ja bei der ganzen Teilerei nicht wirklich schlecht zu gehen. Wir lernen den Umgang damit und es entwickelt sich langsam zur Normalität. Das ist wohl auch einfach gut so.

  8. Ilka sagt:

    Hi, Joana!

    Ich finde den Vergleich mit einer Sauna sehr treffend! Großartige Aufzählung, und selbst, wenn man nicht mittendrin ist, kann man auch als Außenstehender wirklich alles mitverfolgen….. Irgendwie unheimlich.
    Aber am schlimmsten finde ich tatsächlich, dass Facebook uns an Geburtstage von Freunden erinnern muss. Früher konnte ich einfach alle Geburtsdaten meiner Freunde auswendig. Heute bin ich froh, dass Facebook darüber Bescheid weiß. Schon traurig….

    Liebe Grüße ans Team!

  9. Ilka sagt:

    PS: Sehr schöne Frisur!

  10. Roxana sagt:

    Wahre Worte !

    Ganz wichtig dabei finde ich, sich nicht ganz „nackt“ zu machen.
    Das man heut zu tage von den Medien lebt und Werbung macht bleibt leider nicht aus ABER
    Wichtig ist : das reale Leben nicht zu vergessen und nur für die virtuelle Welt zu leben !!!
    Das kann oft soviel kaputt machen und man merkt es oft erst wenn es zu spät ist!
    Was hat man von 100 „likes“? NICHTS ausser Anerkennung und Stolz.
    Gkücklich ist man nämlich mit der Liebe und Freundschaft die einen das Leben unbeschwert machen kann…

  11. Charlotte Amalie sagt:

    Ein super Post. Du triffst genau ins Schwarze. Endlich mal 🙂 Sehr inspirierend. Danke dafür!

    Liebste Grüße

  12. Anni von Positiviphy sagt:

    Ich glaube nicht, dass sich das jemals wieder ändern wird. Unsere Kinder werden ja nicht mehr in einer Welt ohne das Internet aufwachsen und dann wird sich vielleicht auch diese Wahrnehmung ändern (die ich übrigens teile, aber natürlich auch ein teil davon bin) und alles was wir jetzt noch als erschreckend sehen, wird vermutlich ganz normal sein. Ich weiß nicht genau ob das gut oder schlecht ist. Manchmal weiß man einfach gar nichts mehr so richtig.

  13. Charlotte Amalie sagt:

    Also das „endlich mal“ meint: Endlich mal jemand der die Internatwelt so darstellt, wie sie ist 😉

  14. Sunny sagt:

    Wow. Wahre Worte ! <3

  15. Phia sagt:

    Es ist alles wahr, aber solange man sich dessen bewusst ist, was man da für einen „Seelen-Striptease“ betreibt, und es wirklich noch im Griff hat, echte Kontakte zu pflegen, ist das auch irgendwie okay. Zwar ist es schon komisch, dass das die Normalität ist, aber irgendwie auch eine Art und Weise, sich mitzuteilen.

  16. jana sagt:

    das regt echt zum Nachdenken an…

  17. Kathi sagt:

    Sehr schöner Text und ehrliche Worte!

    Liebe Grüße
    Kathi

  18. Bastian sagt:

    outfit hast du toll kombiniert…wie immer gefallen mir die farben sehr gut 🙂 du hast mal wieder zur hose gegriffen…super 😉

  19. DaBlub sagt:

    Schön geschrieben. Ich versuche den Sinn von XING und LinkedIn noch zu finden. Bei beiden habe ich ein Profil, aber ich weiß nicht was es mir nun bringt. Geschäftliche Kontakte rufe ich an, und schreibe ihnen nicht über PMs. Über die Kenntnisse der Personen weiß ich selbst auch mehr, als auf ihren Profilen steht. Ist es vielleicht, weil ich angestellt bin? Bringt ein Profil als Selbständige Person mehr? Mich würden deine Erfahrungen Interessieren.

  20. Lydia° sagt:

    Wie wahr! Die Frage ist nur wieso tun wir das? Ich denke es ist das Verlangen nach Aufmerksamkeit, was wir schon als kleine Kinder hatten, sich damals aber anders bemerkbar gemacht hat. 🙂

    LG Lydia°

  21. Michelle sagt:

    Da reihe ich mich ein in die virtuelle Schlange und gebe meinen Senf dazu!
    So gut geschrieben der Text und so wahr!
    Viele Grüße

  22. Tina sagt:

    Wieder ein schön poetischer Post 🙂
    Die Beobachtung sollte uns dahin bringen, dass wir nicht nur feststellen, dass der Zustand schlecht ist, sondern dass wir radikal werden: und uns zb von Seiten wie Twitter abmelden. Uns zeitliche Grenzen des unterhaltsamen Internetkonsums setzen. Bevor wir eine whatsapp Nachricht schicken, überlegen, ob wir das nicht auch persönlich sagen können. Usw.
    Das scheint gesetzlich, ich musste aber feststellen, dass es befreit 😉

  23. Drahtseiltänzerin sagt:

    Sehr schöner Text- du sprichst mir aus der Seele. Wie der Zufall es will, habe ich gestern selbst einen kritischen Post über Facebook und soziale Anerkennung verfasst. Wenn es dich interessiert, kannst du gerne mal reinschauen 🙂

  24. Maxi sagt:

    So true! And funny!

  25. Sarah sagt:

    Oh Gott, das ist furchtbar, das zu lesen. Das so richtig mal reingedrückt zu bekommen. 🙁 Klar, weiss doch jeder dass wir uns auch noch freiwillig nackt auf den Seziertisch legen und mal richtig schön röntgen lassen und zwar ohn ejegliche Kontrolle, wer denn da mal schaun möchte. Und trotzdem machen wir es und finden auch noch Gefallen daran. Das klingt schon nach Masochismus, Wenn es nicht auch so viel Spass machen würde. Sicherlich haben x schlaue Prsychologen dem Phänomen schon längst kompliziert klingende Namen gegeben, ich weiss aber einfach nicht, warum wir solche Social Media addicts sind. Andere sind süchtig nach Extremsportarten, Drogen oder Alkohol, Aufräumzwang…bei uns ist es halt das Internet. Für die jeweiligen Abhängigkeiten gibt es glaub ich manchmal keine Erklärung.
    Sehr guter Text. MAcht nachdenklich aber hält uns trotzdem nicht davon ab, weiter zu machen wie bisher. 🙂

  26. Nadja sagt:

    Wie unglaublich wahr dieser Post ist.. dabei ist er im Grunde so einfach geschrieben.. gefällt mir wirklich gut! 🙂

  27. vivien_noir sagt:

    Unterschreib ich auf der Stelle. Ich mag diesen Vergleich mit der Gemeinschaftssauna – nur dass es uns im Internet offenbar nicht stört, wenn auch Menschen, von denen wir es weniger gern hätten, uns angaffen und uns so nahe kommen. In der Sauna würden wir uns jetzt bedrängt fühlen – im Internet rücken wir nicht weg. Da blenden wir die Unangenehmen einfach aus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert