Ich habe Angst vor der Einsamkeit.

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Ich habe Angst davor, alt zu werden.

Ich fürchte mich nicht vor Falten oder Gebrechen, die das Alter so mit sich bringt. Ich habe Angst vor der Einsamkeit.

Schlimmer noch als einsam zu sein ist sich einsam zu fühlen. Man kann sich auch inmitten von Freunden einsam fühlen, denn Einsamkeit ist ein Gefühl, kein Zustand.

Ich habe Angst vor dem Vergessen. All die schönen Erinnerungen, die mein Leben geprägt haben und verschwimmen wie ein Kreidebild im Regen, so dass nicht mal alte Fotos die Erinnerung wieder hervorrufen können. Mehr noch als die sachlichen Erinnerungen an bestimmte Situationen meine ich die Momente, die man in Worten nicht beschreiben kann. Das Gefühl, seine kleine Schwester zum ersten Mal im Arm zu halten. Der Stolz über das erste krakelig geschriebene Wort. Die Sekunden, wenn der Papa das Fahrrad loslässt und man einfach losfährt. Das angenähte Seepferdchen auf dem bunten Badeanzug, das Gefühl auf den Zähnen nach der ersten Zahnklammer, das erste Mal Schmetterlinge im Bauch, der erste Kuss.

Das Leben füllt uns jeden Tag mit neuen Erinnerungen – ist dann noch genug Platz für die Alten? Wir machen uns tagtäglich so viele Sorgen um eigentlich völlig unwichtige Dinge, aber sie füllen uns so weit aus, dass diese wertvollen Erinnerungen immer mehr verblassen.

Ich habe bei meinen Eltern eine große Kiste auf dem Dachboden, die ich mir regelmäßig anschaue. Ich habe viele Dinge aufbewahrt, die mir wichtig sind und vergewissere mich oft, ob ich mich an all diese Dinge noch erinnere. 

Ich werde alles dafür geben, diesen Schatz zu wahren. Meine Kräfte können mich verlassen, meine Erinnerungen müssen bleiben. Wenn ich dann am Ende meiner Tage die Augen schließen werde, kann ich glücklich sein – denn ich war nie einsam.

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26 Antworten zu “Ich habe Angst vor der Einsamkeit.”

  1. Annilii sagt:

    Liebe Joana,
    das ist ein sehr schöner Text, der mich nachdenklich stimmt.
    Ich glaube jeder hat Angst zu vergessen, zu vergessen, was einem einmal so unfassbar wichtig war und was einem jetzt das Wichtigste ist. Dass man sich irgendwann nicht mehr an das erinnert, was einem das Leben bedeutet (hat).
    Ich musste gerade an den Film „Still Alice“ denken, ich glaube er kommt bald in die Kinos. Ich glaube, er wäre vielleicht einen Kinobesuch wert.
    Alles Liebe,
    Annika

  2. Uli sagt:

    Ich muss sagen, ich denke lieber nicht darueber nach, was alles passieren kann. Keiner kann uns mehr die Momente nehmen, die wir hatten auch wenn wir uns vielleicht eines Tages nicht mehr erinnern koennen. Dieser Gedanke ist einfach grossartig! x

    www.foundsomepaper.com

  3. Lili sagt:

    Ich kann das gut nachempfinden liebe Joana. Mir geht es genauso. Ich habe gerne Freunde und Familie um mich herum und bin ungern alleine. Schaffe gerne Erinnerungen. Angst habe ich auch vor dem Tod, da ich dann diese tollen Menschen nicht mehr um mich herum habe, keine Erinnerungen und das Leben nicht mehr genießen kann…
    Die Fotos sind super, ich mag die Farbstimmung und deine Lippen sehen auch super aus 😉 Ich trau mich auch nie außerhalb der Wohnung mit Lippenstift rumzulaufen 😀

  4. Sabrina sagt:

    Ich denke auch, dass es bei diesem Thema eine große Rolle spielt woran du glaubst, was nach dem Tod passiert. Ich weiß, darum geht es jetzt in erster Linie nicht, aber ich sehe das folgendermaßen: Das Leben auf dieser Welt ist ein ständiges Auf und Ab… man hat mal gute Zeiten, man hat mal schlechte Zeiten. Wenn du nun alt bist und dich womöglich kaum noch an deine wunderschönen Zeiten zurückerinnern kannst, einsam bist oder whatever (was ja nicht bei allen der Fall ist), dann wird es SPÄTESTENS wenn du diese Erde verlässt wieder anders werden. Ich glaube, dass wir dann noch glücklicher, freier und eins mit uns sind, als wir es hier jemals zustande gebracht haben. 🙂
    Und nochmal zum Thema Erinnerungen: Meine Oma hat uns sooo viele Geschichten von früher erzählt. Zum Teil so detailliert. Sie hat so gut wie nichts vergessen. 🙂 Ich glaube deine Kiste wird für spätere Genrationen auch mal ganz interessant sein. ♥
    www.color-castles.com

  5. stephie sagt:

    Liebe Joana,

    Kennst du den Film „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“? Dein Post über die Angst zu vergessen oder vergessen zu werden erinnert mich so sehr an den Film….solltest du ihn noch nicht kennen, kann ich ihn dir nur herzlichst empfehlen!

    Aber abgesehen davon das man, wie im Film beschrieben, aufgrund einer Erkrankung anfängt darüber nachzudenken was man bisher alles erlebt und erreicht hat, denke ich das jeder solche Momente im Leben hat, in denen ein neuer Lebensabschnitt beginnt und man in Erinnerungen schwelgt… diese Momente wenn man mit den ehemaligen Klassenkameraden zusammen sitzt und über die Schulzeit lacht oder wenn man seine Ausbildung abschließt und den Weg in die Arbeiterwelt bestreitet oder wenn man aus seinem Elternhaus auszieht und die Mutti noch mal alle Fotoalben raus kramt…

    All solche Momente lassen uns daran denken was einen zu dem Menschen gemacht hat, der wir nun sind und genau deswegen sind diese Momente meist die entscheidenden im Leben!

    Danke Joana, dass du uns einfach so zurück denken lässt wie unser erster Kuss war oder was uns bewegt hat!

  6. Talisha sagt:

    Liebe Joana,
    Ich kann diese Angst sehr gut nachempfinden. Ich fürchte mich nicht nur davor zu vergessen, sondern auch davor vergessen zu werden. Aber ich denke du hast ganz recht damit, wenn du sagst, dass wir am Ende unseres Lebens wissen werden wir waren nicht alleine, selbst wenn wir uns so vieler Momente nicht mehr entsinnen können. Was zählt ist ja irgendwo das Gefühl, das diese Momente hinterlassen haben.
    Ein sehr schöner Post, Liebste Grüße

  7. Iris sagt:

    Wirklich ein toller, sehr schön geschriebener Text!!

  8. Fiona sagt:

    Toller Text! Ich hab auch so eine Kiste und bewahre dort alles auf was mir wichtig ist und was ich nicht vergessen will 😉
    Die Bilder sind übrigens sehr stimmungsvoll!

    Viele Grüße,
    Fiona

  9. Jacqui sagt:

    Das hast du so schön geschrieben! Ich wünsche dir noch ganz viele tolle Erinnerungen!
    LG

  10. Julia sagt:

    Kann dich da total verstehen. Hab was das Alter angeht eigentlich auch am meisten Angst davor mich irgendwann nicht mehr an die schönen Dinge, Situationen und vor allen Dingen die wichtigsten Menschen zu erinnern. Ich hoffe ich bekomme nie Alzheimer. Wobei ich mir denke, dass das vielleicht dann für die Menschen in der Umgebung noch schlimmer ist als für einen selbst.

  11. anki sagt:

    Liebste joana
    du berührst mich immer wieder mit deinen Worten, aber heute hast du mich wirklich zum weinen gebracht.
    Mit diesem Post hast du mich mitten ins Herz getroffen. Danke dafür ♥

  12. Mika sagt:

    Wunderschöner Text. Ich staune immer wieder wie du die Wahrheit in so schöne Worte verpacken kannst. Ich kann dich voll verstehen – auch ich kämpfe um die Erinnerungen an Urlaube, Schüleraustausche und Kindheitserinnerungen aber ich weiss dass ich sie nie vergessen werde 🙂 ich denke mal diese Kiste ist zu persönlich um sie hier zu teilen – aber vllt ein klitzekleiner Einblick wäre eine tolle Postidee 🙂
    Alles Liebe und fühl dich gedrückt
    Mika

  13. Hanna sagt:

    So ein schöner Text!
    Ich sitze hier und versrücke doch tatsächlich dicke Tränchen, bin wohl etwas emotional momentan.

  14. Aline sagt:

    Fotografin, Tagträumerin und Poetin sollte es heissen 🙂

    Liebste Grüße Aline
    fashionzauber.com

  15. leider... sagt:

    Muss ich nach langer Zeit mal etwas sagen. Der Post ist sehr schön, keine Frage…was mir aber in letzter Zeit nicht so gut gefällt ist, dass du auf den Fotos immer sehr künstlich aussiehst. Wunderschön…aber künstlich. Was mich an deinen Fotos und an dir immer fasziniert hat war eine bestimmte zärtliche Frische. Wie der Frühling halt…die letzten Tage finde ich es nicht mehr so frisch sondern etwas zu viel beladen. Vor allem dein Gesicht. Ich weiß dass du gerade neue Sachen hast und diese auch gern ausprobieren möchtest, das kann ich auch verstehen, aber ich würde mich freuen dich wieder etwas natürlicher zu sehen.
    LG

  16. TheChronist sagt:

    „Angst essen Seele auf!“ ( Rainer Werner Fassbinder)

    Liebe Joana,
    mach Dir nicht so düstere Gedanken. Ich kenne diese Angst, alt und einsam zu sein nur zu gut. Ich habe keine Partnerin und keine Kinder und manchmal frage ich mich, wer sich eines Tages um mich kümmert oder wenn ich mal nicht mehr bin, wer sich an mich erinnert und wie. Hab mich schon für ein anonymes Begräbnis entschieden, da ja eh keiner sich um das Grab kümmern wird. Oder vielleicht doch?

    Ich versuche zu Lebzeiten, meine „Spuren im Sand“ zu hinterlassen – wohl wissend, dass mein Vermächtnis in Form von Software für die Industrie zwar heute von ein paar Hundert Menschen benutzt wird, aber schon in ein paar Jahren angestaubte Geschichte ist.

    Es gibt 2 Möglichkeiten mit der Zwangsläufigkeit der Vergänglichkeit und des Vergessens umzugehen – Du machst Dich irre oder Du lebst im Jetzt und Hier und sagst Dir: Scheiß drauf!

    Achja – all die kleinen Dinge. Ich habe einen Schuhkarton im Schrank mit Dingen aus meiner Kindheit. Der liegt da jetzt seit 40 Jahren und eines Tages, wenn jemand meine Wohnung ausräumt, wird dieser Karton achtlos im Müll landen. Also warum verwahrt man Dinge von der Wiege bis zur Bare? Ich bin hoffnungslos sentimental nostalgisch – aber auch real-pessimistisch.

    Am Ende bleibt uns nur, dass Spiel zu Spielen – bis zum Schluss. Uns nicht von der Angst auffressen lassen und mutig, neugierig und unverzagt jedem Tag entgegen zu treten und ihm zu zu rufen: „Not yet! Heute noch nicht – ich bin noch immer da!“

    Liebe lächelnde Grüße

    Wolfgang

  17. Leni sagt:

    Schön geschrieben 🙂

  18. Melanie sagt:

    Schöner Text 🙂
    Erinnerungen in Form von Kisten/Zetteln/Tickets, etc. aufzubewahren habe ich allerdings aufgegeben. Man erinnert sich auch so genug an die wichtigen Dinge, da bin ich mir sicher 🙂

  19. Leo sagt:

    Ich finds ja witzig wie Du davon ausgehst, dass „das Leben *uns* füllt“ und „*wir* uns sorgen machen“. 😀 Vielleicht zieht das leben nur bei *Dir* so schnell vorbei. Wenn man ein wenig Distanz zum Geschehen behält, dann bleibt noch einges vom den Wahrnehmungen da – so viel, dass Unsicherheit oder „Angst“ kaum angebracht ist. Abtauchen und sich danach an handfesten Dingen festhalten, die einem sein Leben wieder nacherzählen, ist im Umgang mit sich selbst nicht besonders anspruchsvoll. Leo

  20. kati sagt:

    schöner text, schön geschrieben 🙂 die bilder sind einfach wunderschön und passen wirklich gut 🙂

  21. Charleen sagt:

    Oh man!
    Ich hatte echt tränen in den Augen :‘) Erinnerungen sind so unglaublich wichtig, du sprichst mir aus dem Herzen!
    Aber ich glaube, dass Erinnerungen die einem viel bedeuten und einem wirklich, wirklich wichtig sind nicht so einfach verblassen können 🙂
    Toller Post!!

  22. honey sagt:

    Liebe Joana,
    wieder einmal ein ganz großartiger Post! Ich bin ganz vernarrt in deinen Blog und kann so vieles, was du schreibst, nachempfinden. In meinem Umfeld beschäftigen sich so viele mit unnötigen Kleinigkeiten und verlieren so nach und nach die schönen Erinnerungen und Momente. Ich hoffe das mir so etwas nicht passiert. Ich halte immer an diesen Momenten fest, weil sie mich daran erinnern, wie viel Schönes es doch gibt und versuche erst gar keine negativen Gedanken an mich heran zu lassen. Klappt nicht immer – aber größtenteils ;o) Und ich hoffe, dass mir diese Momente und Erinnerungen noch lange im Gedächtnis bleiben!

    Ich wünsche Dir ein zauberhaftes Wochenende und sende liebe Grüße.
    Mach weiter so! :o)

  23. Anni sagt:

    Hallo Joana,
    wirklich ein sehr sehr schöner Text :). Wenn Erinnerungen entgleiten macht das Angst. Ich finde es wichtig jede Phase im Leben im Herzen zu halten, denn all das formte unseren Charakter und unser heutiges Selbst!

    Darf ich noch eine unromantische Frage stellen? Wie heißt der Lippenstift, den du da trägst? Die Farbe ist so schön.
    Danke und liebe Grüße von einer Münsteranerin

  24. Annika sagt:

    Unwahrscheinlich schöner Text und so wahr. Das trifft etwas in mir drin, weil das meine größte Angst ist: Im Alter einsam zu sein. Dabei wird das niemals vorkommen, weil ich eine große Familie habe und viele, viele Freunde. Und trotzdem… Jeder hat ja so diese eine, völlig unsinnige Angst. Macht es aber nicht weniger, dass man das weiß. Wie die Angst vorm Fliegen. Man weiß, dass nichts passieren wird. Und trotzdem…

    Liebe Grüße,
    Annika von themuffintop-less.blogspot.de

  25. Karin Austmeyer sagt:

    Hallo Joanna,
    letztes Jahr bin ich 60 geworen und habe mit vor drei Wochen einen Herzenswunsch erfüllt – einen Blog für Frauen meines Alters, aber auch für jüngere interessierte Mädels. Heute bin ich über Deinen Beitrag gestolpert und war fasziniert und angerührt.
    So habe ich mich daran gesetzt und in meinem Blog einen Beitrag dazu geschrieben, Dich zitiert und natürlich auf deinen Blog verlinkt.
    Vielen Dank für diesen wunderbaren Text und für einen nachdenklichen Sonntagmorgen.
    LG Karin

  26. Anonym sagt:

    @wolfgang: was du sagst ist richtig. wenn irgendwann dann irgendjemand diese kiste findet, wird sie achtlos weggeworfen, es sei denn sie enthält dinge, die man noch zu geld machen kann. alles weitere interessiert niemanden. dazu muss man nichteinmal eine solche kiste haben. auch selber interessiert es keinen, wenn man ablebt. (ich habe im fernsehen einmal einen bericht gesehen über einen nachlassverwalter, der in die wohnungen von einsamen alten verstorbenen menschen ging. da der verstorbene arm war, hat man eben gesucht, ob noch irgendetwas da ist, was man zu geld machen kann, um die beerdigung zu zahlen. das war so geschmacklos und so zutiefst traurig.
    nicht jeder wird reich geboren oder hat am ende seines lebens noch viel geld übrig. das hat mich wütend gemacht. und zwar aus dem grunde, dass man frauen früher verboten hat abzutreiben. also jeder musste geboren werden, und zusehen, wie er aus den karten, die ihm am anfang des lebens mitgegeben wurden, etwas macht. und nicht jeder war ein genie. und ich finde eben, dass man auch armen menschen am lebensende die würde schuldig ist. denn keiner hat darum gebeten geboren zuwerden. nicht jeder ist stark genug, sich in dieser knallharten und kalten welt zu behaupten.

    die glücklichsten menschen sind wahrscheinlich die, die für eine sehr große familie gesorgt haben. also so eine große familie, dass die möglichkeit bestehtt, dass wenigstens einer von all denen dich nicht vergessen oder sich vielleicht um dich sorgen werden wenn du alt bist.

    ich habe leider auch keine solche familie. leider leider leider.

    liebe joana, du bist noch so jung und schon so weise. ratschläge soll man nicht geben. deswegen sage ich dir, was ich tun würde, wenn ich noch einmal so jung wäre wie du: ich würde für eine große familie sorgen. mir einen lieben mann suchen, der auch diesen wunsch hat. und das wichtigste wofür ich kämpfen würde. wäre ein fester zusammenhalt. ich würde aufpassen wie ein fuchs, dass nicht die arbeitswelt uns auseinanderreisst. lieber eine zeit mit wenig einkommen überbrücken, statt sich vom „großen geld“ auseinanderreissen zu lassen. lieber wie die glucken auf eingem raum zusammenleben. um den zusammenhalt zu wahren. mein vorbild dafür sind tatsächlich die südländer. die wissen einfach, wie das geht.
    und selbst wenn die natur der meinung ist, dass ich keine kinder haben soll, dann würde ich so lange suchen, bis ich einen wunderbaren partner gefunden habe, dem der zusammnhalt auch über alles geht. der mich auch ohne kinder liebt. in guten, wei in schlechten zeiten. und der nicht bei der kleinstenkleinigkeit weiterzieht.

    ich wünsche dir einen sehr glücklichen lebensweg.

    und bitte verzeihe, wenn ich mit so ernüchternden fakten hier erscheine. dies sind erlebnisse aus einem leben, wie sie auch vorkommen können.

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