Ich wollte immer cool sein. Aber eigentlich bin ich Spießer.

Ich habe lange gebraucht herauszufinden wer ich bin und was ich will. Sehr lange. Man hat ein Idealbild vor Augen, wie man gerne wär – und das wechselt auch ständig. Ich wollte immer so sein wie andere. Cool, sexy, wild, mutig, klug, verrückt. All sowas.

In der 6. Klasse habe ich bei einem Schulfest an einer Zigarette gezogen, um den Mädels aus meiner Klasse zu beweisen, dass ich cool bin. Es war ekelhaft und die Mädels mochte ich auch nicht. Aber ich wollte trotzdem so sein. In der 8. Klasse brauchte ich eine Beziehung, um zu zeigen, dass ich kein kleines Mädchen mehr bin. Händchen halten auf dem Schulhof war mir furchtbar peinlich und nach dem ersten Kuss war ich so verstört, dass ich per SMS Schluss gemacht hab. Das tut mir heute noch Leid. Cool gemacht hat es mich nicht.

Mutig war ich auch nicht. Ich hatte ständig Angst, etwas falsch zu machen. In der 9. Klasse haben alle ihren Ausweis gefälscht, um in die Stadthalle zu kommen. Ich bin fast gestorben vor Angst, als ich dem Türsteher gegenüberstand. In der 10. Klasse wollten alle ständig kollektiv blau machen – aber ich wollte nicht. Ich war immer der Spielverderber, der coole Aktionen kaputt gemacht hat. Versteht mich nicht falsch – eine Petze war ich nicht! Ich war Moralapostel, Feigling, Mauerblümchen. Ich habe nie etwas Verbotenes getan.

Nach meiner ersten großen gescheiterten Beziehung wurde es richtig schlimm. Da wollte ich beweisen, dass ich auch anders kann. Piercings, Tattoos, bunte Haare und durchgefeierte Nächte. Ich war cool. Oh ja, war ich cool. Und ich war unglücklich. Und einsam. Weil ich ganz und gar nicht cool war. Ich war einfach nur dumm und ziemlich einsam.

Dann kam Niklas und mit ihm das Gefühl endlich so sein zu können, wie ich bin. Am Anfang dachte ich noch so: „Der studiert Jura? Voll ätzend!“ Aber ich wusste, dass mir das ein beruhigendes Gefühl gab. So ein ganz normaler Job. So ein ganz normaler Typ mit einer normalen Familie und einer normalen Wohnung. Auf einmal habe ich alle Parallelen zu meiner Familie gesehen. Zu meiner Kindheit. Zu mir selbst.

Als würde eine Fassade langsam bröckeln und Stück für Stück kam die richtige Joana zum Vorschein. Stück für Stück lernte ich mich zu akzeptieren, wie ich bin. Wie ich schon immer war. Ein kleiner Spießer – und ganz normal.

Ich war noch nie so glücklich wie jetzt und habe das Gefühl, angekommen zu sein. Ich habe alle Piercings rausgenommen, die Tattoos trage ich mit Stolz als Zeichen für meinen Weg bis hierhin. Zu mir.

Das bin ich. Ich brauche keine Party bis zum Morgengrauen, keine hippe Clique, keine nächtlichen Freibadeinbrüche, keine Drogen oder Zigaretten. Ich liebe es, ein Spießer zu sein. Ich mag gemütliche Kleidung, flache Schuhe und sportliche Unterwäsche. Ich muss niemanden beeindrucken, mich nicht verstellen. Kann ehrlich sein und nein sagen zu Dingen, auf die ich keine Lust habe.

Und ich kann euch etwas sagen: Ihr müsst nirgendwo dazugehören. Ihr müsst nichts machen, nur weil andere das auch tun. Umgebt euch mit den Leuten, bei denen ihr sein könnt, wie ihr wirklich seid und bei denen ihr euch wohl fühlt. Alles andere ist Fassade und falsch.

Schuhe: Adidas // Mantel: s.Oliver // Shirt: s.Oliver // Tasche: Guess // Ohrringe: Esprit // Rock: ianywear (alt)

  

Ich bin ein Spießer – und das bin ich gern. Später möchte ich ein Haus haben mit einem Garten, in dem meine Kinder mit dem Hund spielen können, während ich auf der Terrasse in der Sonne sitze und an meinem Buch schreibe. Klingt spießig, oder? Ich freu mich schon drauf.

 

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  • Toĺler Post :) es ist schön, dass jemand das so öffentlich sagt.. oft fühlt man sich allein so spießig und es ist schwer dazu zu stehen aber du machst Mut :)

    Liebe Grüße

    • Hi Joana,

      du klingst sehr zufrieden und bist alles andere als spießig. Du bist cooler und sexier als es viele je sein werden. Eine Freundin wie dich kann man(n) sich nur wünschen. Mit so jemandem kann man nur glücklich werden. Bleib unbedingt so!

      LG,
      Patrick

  • Toll, liebe Joana! Und wie glücklich du dich anhörst, das ist so schön :) Aber ein aber habe ich: Spießig bist du deshalb noch lange nicht, finde ich. Viel spießiger als Leute wie du und ich mit Vorstellungen von einer Familie im Haus mit Garten und Hund sind diejenigen, die denken, dass das alles uncool ist. Die Leute, die sich selbst als tolerant bezeichnen, aber eigentlich nur Leute wie sich mögen. Du bist nicht spießig, sondern zufrieden mit dir und deiner Welt! Und das ist schön!

  • ich finde überhaupt nicht, dass du ein spießer bist. klar, du hast jetzt nicht mehr unbedingt das bedürfnis, auf deutsch gesagt, auf die kacke zu hauen, aber ein spießer hätte wahrscheinich niemals ein eigenes fotostudio gegründet. oder würde seine fantasie so gern und liebevoll und befreit ausleben, wie du das tust. du bist einfach du und du hast deinen weg gefunden. auch wenn es eine weile gedauert hat. du gibst mir immer wieder mut und motivation, dies auch für mein leben zu tun und glücklich zu werden. danke, danke, danke dafür! ♥

  • WoW!
    Du sprichst mir aus der Seele!
    Verfolge deine Seite schon sei längerem als stille Leserin. Bis jetzt.;-)
    Hatte damals eine sehr schwere Schulzeit in der ich ziemlich gemobbt wurd. :-( Eben weil ich anders war als die anderen, ruhiger, schüchterner, zurückhaltender. Nicht so cool wie die anderen, die sich geschminkt haben, die, die Bravo gelesen haben, die geraucht haben.

  • Das ist mal wieder ein super schöner Eintrag! Du schaffst es jedes mal mir aus der Seele zu sprechen. :)

  • Liebe Joana,

    was für ein toller Post!
    Ich erkenne mich dort selbst wieder...irgendwie dazu gehören zu wollen, weil andere immer toller erschienen als man selbst. Sich zu verstellen nur um anders zu sein aber tief im Inneren doch unglücklich.

    Auch ich habe mit meinem jetzigen Freund erst festgestellt, wer ich bin und das ich so, wie ich war gar nicht sein möchte. Es gab nichts, was authentisch war - weder die Coolness noch die Sexieness noch sonst etwas....weil das war eben nicht ich.
    Ich sehe jetzt vieles anders und lebe auch anders, so wie es mir gefällt und wie ich mich wohlfühle, nur so bin ich authentisch und für die Menschen, die mich so mögen wie ich bin, kann auch ich cool und sexy sein...auf meine eigene Art. Ich bin glücklich und zufrieden ohne mich verstellen zu müssen oder zu versuchen und das ist toll!

    Danke, das du diesen tollen Blog ins Leben gerufen hast! :o)

    Liebe Grüße und mach weiter so!! <3
    Honey

  • Ich erkenne mich total wieder in deinen Worten. Ich bin auch Spießer und stolz drauf. Ich mache das auf was ich Lust habe und nicht das was andere gerne von mir sehen wollen und das ist auch gut so.

    Liebe Grüße
    Luise von http://www.just-myself.com

  • Ich liebe dich dafür, dass du so bist und das du zeigst, dass spießig sein auch cool ist. Ich verfolge alles von dir und das schon lange und auch, wenn ich eher der ruhige Leser bin finde ich mich in sehr vielen deiner Aussagen wieder. Ich bin auch ein Moralapostel, habe noch nie gekifft und möchte nicht nachts ins Freibad einsteigen. "Trau dich doch mal was" heißt es dann immer und das, obwohl ich bald 30 werde. Nein, so etwas will ich mich nicht trauen!
    Danke wiedermal für einen wundervollen Post!!!
    Ani

  • Liebe Joana, es ist ein wirklich wunderschöner Text, und der Traum von einem Haus, Kindern und einem eigenem Hund Teile ich mit dir. Spießer hin oder her, man muss zu sich selber stehen, denn nur so zeigt man die wahre Stärke :)

  • Bei dem letzten kleinen Absatz unter den Bildern (die kürzeren Haare stehen dir übrigens super!) kamen mir doch tatsächlich ein bisschen die Tränen...
    Ich bin jetzt 26 (oder zumindestens kurz davor ^^) und so langsam fängt man an sich mit Freundinnen über solche Themen zu unterhalten. Ich stehe noch relativ alleine mit meinem "Spießer-sein-Wunsch" da und gerade deswegen hat es mich glaube so berührt, als beim lesen des letzten Absatz alles in mir schrie: "DAS WILL ICH AUCH!!!"
    Danke! :-*

    ...und nun werde ich mich fertig machen und zum nächsten HHausbesichtigunstermin fahren. ;) Mit stolz geschwellter Brust, denn der Spießertraum ist gar nicht schlimm. :)

  • Joana, du sprichst mir teilweise so aus der Seele, als würdest du meine Gedanken nieder schreiben. Unglaublich.
    Manchmal denke ich, wir kennen uns seit 100 Jahren, sind beste Freundinnen mit dem selben Ziel.
    So, als trenne und wirklich nur der eine kleine Kreis.
    Oft finde ich das auch sehr gruselig, da wir uns gar nicht kennen.
    Ich liebe deinen Blog, Deine Art. Deine Ehrlichkeit.

    Liebe Grüße
    Jana.

  • Oh Joana, du triffst es mal wieder auf den Punkt. In meiner Jugendzeit ging es mir fast genauso. Die eine "Freundin" der man unbedingt nacheifern wollte, obwohl man wusste dass sie kein gutes Gefühl hinterliess. Aber man wollte cool sein, nicht ausgegrenzt werden. Aber ein Umzug und der damit verbundene Schulwechsel und gleichzeitig ein toller Freund haben mir gezeigt selbstbewusst zu sein. Immer auf SEIN bauchgefühl zu hören. Alles andere bringt nichts. Zumindest nicht auf Dauer.

    Ich trinke keinen alkohol, rauche nicht und bin samstags froh um 10 Uhr ins bett zu können. Auch irge ndwie spiessig. Aber glücklich..! Mein Traum ist es einen Bauernhof zu kaufen und meinen Kindern eine schöne Kindheit zu schenken. Mit Hunden und Hasen und Hühnern und so. Zu zeigen was wirklich wichtig ist...

    Ich glaub wir sollten Nachbarn werden ;-)

    Julia

  • Sehr gut und absolut richtig!

    Und es ist bestimmt auch nicht schlimm, wenn man sich mit niemandem umgibt, wenn man das mag. Vielleicht ab und zu mal raus um den Bezug zur Welt nicht zu verlieren...

    Umgib dich mit Leuten, die du magst. Sowas steht in krassem Widerspruch zur heutigen Facebookwelt - je mehr Freunde ich habe, desto mehr zähle ich, desto beliebter bin ich.

    Ist das wirklich so? Da hab ich lieber nur eine Hand voll echte Freunde, der Rest ist mir egal.

    Toller Artikel, schön dass dir immer solche netten Sachen einfallen!

    Peter

  • Gut so! Mein Freund und ich sind ein Lehrerpaar. Spießiger geht es kaum.
    Ja und? Ich habe den schönsten Beruf der Welt, werde Generationen von Kindern heranwachsen und sich entwickeln sehen, freue mich nach den Ferien wieder auf die Arbeit, werde (hoffentlich) ein geregeltes Einkommen haben und konnte es nach dem Studium kaum erwarten, endlich wieder im Klassenzimmer zu sein.
    Das mochte ich nämlich schon als Schüler. Den Geruch von Tafelkreide, das Geräusch der Schulglocke und das geschwätzige Treiben auf dem Flur. Galt auch in meiner Schulzeit nicht unbedingt als cool. Aber hey, cool ist, was dich glücklich macht. Punkt.
    Liebe Grüße
    Tschessi

  • grosses Herz vom kleinen Mädchen für diesen Post, Joana <3 Ich finds schön, dass du grad so eine Phase mit ganz vielen Motivierenden Texten hast ! Ich glaube das macht vielen Mut. Aber du hast dich zum Schluss verschrieben, das Tier muss Katze heissen, nicht Hund :P ;)

  • Ich bin auch Spießer. Seitdem ich das akzeptiert habe gehts mir viel besser ;)
    Toll ist es immer wenn ich Freitag abend gefragt werde was ich denn noch mache. Heim gehen und Fernsehen/lesen löst dabei immer komische Blicke aus. ;)

  • Oh Joana... Ich stimme dir bei allem zu. Ich bin 10,Klasse und auf dem Holzweg hoch 100. Ich habe mich aber schon gebessert :) Aus der "ich will umbedingt cool sein" Phase bin ich einigermaßen raus, obwohl ich mich manchmal dann doch noch dabei erwische, cool sein zu wollen.

    • Huch, ich war noch gar nicht fertig und es hat schon abgeschickt :D Naja auf jeden Fall wollte ich auch unbedingt einen Freund. Hüpsch bitte, zwei Jahre älter und einfach total cool. Mitlerweile habe ich das aufgegeben und jemanden gefunden, der mehr auf meiner Wellenlänge ist. Er ist kein Skaterboy oder Playboy Model, aber er ist unfassbar nett und er hat soviel innere Schönheit und Wärme und er hat gleiche Interessen wie ich. Wir sind (noch) nicht zusammen, aber ich weiß, dass wir irgendwie zusammenpassen. Ich habe schon länger gespürt, dass ich ihn mag, aber ich fand ihn zu "uncool" und habe mich über ihn lustig gemacht, um selbst cool zu sein. Das alles tut mir unfassbar leid und ich habe mich über ihn lustig gemacht, um selbst cool zu sein. Aber im Moment ist er wirklich die einzige Person die mir etwas bedeutet.
      Ich war mal anders. ich war witzig, offen und konnte überall Freunde finden. Hat sich geändert, ich habe Angst vor Fremden und vor dem was kommen wird. Ich will Fotografin werden, Aber ich weiß dass ich es nicht schaffen werden. So nicht. Selbstvertrauen = unvorhanden. ich habe mich selbst zerstört, herzlichen Glückwunsch. Ich bin mal gerne in die Schule gegangen. Pustekuchen. Hoffe dass ich mein Abi schaffe und dann... ja dann.. Keine Ahnung.. Wünscht mir Glück ...

      • Gib Dich nicht auf - Du bist noch so jung, Du kannst alles schaffen!
        Hör auf Dein Herz & denke nicht zu viel drüber nach, was jetzt gut oder falsch ist...

  • Je älter man wird, um so weiser wird man. Und je mehr sich mein Erfahrungshorizont weitet, verschwindet auch die Unsicherheit. Deswegen feiere ich in den letzten Jahren - und mit zunehmenden Alter - meine Geburtstage immer lieber :D

  • Ein wirklich total schöner Post mal wieder :) Ich finde es immer wieder schade, dass es in der Gesellschaft so wichtig ist, Partys zu machen, zu Rauchen, Drogen zu nehmen und Alkohol zu trinken. Denn dann bist du cool. Und Ich hasse alles davon. Ich hasse Partys. Ich wohne in Hamburg und war noch nie feiern aufm Kiez. Ich hasse es und alle wollen einen immer Drängen. Mit 16 war meine Cousine schon die größte Partymaus aller Zeiten und ihre Eltern sagten mir, dass ich es auch irgendwann mal werde. Dass ich auch Spaß haben wollen werde und dass ich das Tanzen in Diskos lieben werde. Ich sagte nein und sie lachten mich nur aus. Ich finde es einfach peinlich, dass man sowas laut Gesellschaft machen "muss". Meine Eltern gehen feiern, ich hasse feiern. ich hasse tanzen, ich hasse Diskos, Clubs und ekelige Typen, die einen wie Werwölfe anglotzen. Ich hasse es um 6 Uhr morgens nach hause zu kommen und einen Kater zu haben. Wieso wollen menschen das und wieso ist man erst dann cool? Ich habe das Gefühl, dass es in der Gesellschaft wichtiger ist Drogen zu nehmen und jedes Wochenende zu feiern, anstatt wichtige Dinge zu machen, wie sein Abitur oder eine Ausbildung, ein Studium oder was auch immer. Mich ärgert dieses Thema schon lange. Ich habe mich so oft zu Partys zwingen und überreden lassen und fand es kein einziges Mal gut. Dein Text wird mich hoffentlich dazu bringen auch mal Nein zu sagen, Man sollte im Leben einfach nur das machen, was einen Glücklich macht, denn man hat ja nur das eine Leben. Ich habe so einen Schritt schon gewagt und vor über 2 Jahren alle meine "Freunde" verloren, die ich alle nicht gebraucht habe, weil sie falsch waren.

    Ich wünsche dir also schon mal viel Spaß in deinem großen Haus mit deinen Kindern und Hunden und dem Buch natürlich =D

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Veröffentlicht von
Joana

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